Nützliche 
  Fragen
  Als
  Benjamin
  ein
  Alter
  von
  viereinhalb
  Jahren
  beinahe 
  erreicht
  hatte,
  kam
  es
  selten,
  so
  ungefähr
  einmal
  im
  Monat, 
  vor,
  dass
  er
  sich
  auf
  kurze
  Gespräche
  mit
  uns
  einließ.
  Zwei 
  der
  ersten
  derartigen
  Kommunikationsversuche
  möchte
  ich 
  hier
  exemplarisch
  wiedergeben.
  Meinem
  Sohn
  fiel
  in
  der 
  Küche
  ein
  Stück
  Schokoladenpapier
  herunter
  und
  er
  blieb 
  tatenlos
  daneben
  stehen.
  Ich
  fragte
  ihn:
  „Benjamin,
  wo
  ist 
  der
  Mülleimer?“
  Er
  zeigte
  daraufhin
  mit
  dem
  Finger
  auf
  die 
  Tür
  der
  Spüle,
  hinter
  der
  sich
  der
  Mülleimer
  verbarg,
  und 
  antwortete:
  „Da!“,
  ohne
  mich
  dabei
  anzuschauen.
  Da
  er 
  weiter
  reglos
  stehen
  blieb,
  bat
  ich
  ihn:
  „Dann
  räume
  deinen 
  Müll
  bitte
  weg“,
  was
  er
  zu
  meiner
  Verwunderung
  sofort
  tat. 
  Nachdem
  ihm
  das
  Schokoladenpapier
  heruntergefallen
  war, 
  hatte
  er
  offensichtlich
  keinen
  Plan,
  wie
  er
  jetzt
  weiter 
  verfahren
  sollte,
  obwohl
  er
  diversen
  Müll
  sonst
  schon
  lange 
  unaufgefordert
  in
  den
  Mülleimer
  brachte.
  Einige
  Wochen 
  später,
  wieder
  in
  der
  Küche,
  fragte
  ich
  meinen
  Sohn: 
  „Benjamin,
  wo
  ist
  das
  Radio?“
  Wir
  hatten
  ihm
  schon 
  jahrelang
  immer
  irgendwelche
  Fragen
  gestellt
  und
  dabei 
  gehofft,
  er
  würde
  sie
  eines
  Tages
  beantworten.
  An
  diesem 
  Tag
  bekam
  ich
  ein
  „Da
  oben!“
  zur
  Antwort,
  ohne
  dass 
  Benjamin
  mich
  oder
  das
  Radio
  anschaute.
  Mein
  Sohn 
  drehte
  mir
  nun
  den
  Rücken
  zu
  und
  wollte
  gerade
  aus
  dem 
 
 
  Zimmer
  gehen,
  als
  ich
  meine
  Frage
  noch
  einmal
  stellte: 
  „Wo
  ist
  das
  Radio?“
  Er
  wiederholte:
  „Da
  oben!“,
  im
  gleichen 
  Tonfall
  wie
  bei
  seiner
  ersten 
  Antwort. 
  Aber
  dieses
  Mal
  zeigte 
  er
  noch
  mit
  dem
  Finger
  hinter
  seinem
  Rücken
  schräg
  nach 
  oben
  auf
  das
  Radio,
  ohne
  sich
  dabei
  umzudrehen
  oder 
  hinzuschauen,
  und
  verließ
  das
  Zimmer. 
  Auch
  wenn
  wir
  über 
  diese
  dürftigen
  kleinen
  Gespräche
  hocherfreut
  waren,
  fiel 
  uns
  doch
  gleichzeitig
  ihre
  Eigenartigkeit
  auf.
  Unser
  Sohn 
  schien
  nur
  „nützliche“
  Fragen
  zu
  beantworten,
  offenbar 
  hatte
  er
  wirklich
  geglaubt,
  ich
  hätte
  vergessen,
  wo
  sich
  das 
  Radio
  befand.
  Außerdem
  erwartete
  er
  keine
  Reaktion
  auf 
  seine
  Äußerungen
  und
  es
  waren
  keine
  Gespräche
  dabei, 
  die
  er
  selbst
  begonnen
  hatte.
  Fragte
  ich
  nach
  einem
  Detail 
  auf
  einem
  Puzzlespiel,
  wie
  zum
  Beispiel
  „Wo
  ist
  denn
  der 
  gelbe
  Vogel?“
  oder
  „Siehst
  du
  den
  großen
  Kuchen?“, 
  bekam
  ich
  keine
  Antwort.
  Seine
  Logik
  bestand
  vielleicht 
  darin,
  dass
  eine
  Antwort
  überflüssig
  war,
  denn
  durch
  meine 
  Frage
  wusste
  er
  ja
  bereits,
  dass
  ich
  die
  Dinge
  sah.
  Und 
  dass
  ich
  nicht
  wissen
  konnte,
  ob
  er
  die
  Dinge
  auch
  sah,
  das 
  wusste
  er
  wiederum
  nicht.
  Diese
  ansatzweise
  geführten 
  Gespräche
  waren
  möglicherweise
  ein
  Beweis
  dafür,
  dass 
  Leon
  Recht
  hatte,
  als
  er
  vor
  über
  zwei
  Jahren
  meinte, 
  solange
  wir
  nicht
  wüssten,
  was
  Benjamin
  aufnimmt
  und
  was 
  nicht,
  würden
  wir
  alles
  Erdenkliche
  an
  ihn
  herantragen
  und 
  ihm
  anbieten.
  Nur
  weil
  ein
  Kind
  nicht
  erwartungsgemäß
  auf 
  äußere
  Einflüsse
  reagiert,
  sollte
  man
  nie
  glauben,
  es 
  bekäme nichts von seiner Umwelt mit.
 
 
 
 
  © Inez Maus 2014–2025